Bild: Sarah Kufner (3.vl.) und das Empowerment-Team München mit Daniela Hoffmann-Kruse TKNRW e.V. (4.v.l.) und Swanhild Priestley IGThera-SH e.V. (2.v.l.) 

Wies’n das mit der Therapeutenkammer?

September 2018

Der Einladung des Empowerment-Project-Teams unter der Leitung von Sarah Kufner ist die Vorsitzende des Fördervereins Therapeutenkammer in Nordrhein-Westfalen e.V., Daniela Hoffmann-Kruse gern nach München gefolgt. Am Eröffnungswochenende der traditionellen Wies`n hieß es aber für eine engagierte Gruppe von Therapeuten über etwas Neues und über Veränderungen in Bayern nachzudenken. Die aktuelle Situation der Therapeuten in Bayern ist zukünftig, ähnlich wie in anderen Bundesländern auch, in der bestehenden Form nicht mehr in der Lage die therapeutische Gesundheitsversorgung im südlichen Bundesland sicherstellen zu können. Dieser Entwicklung soll in geeigneter Form entgegengewirkt werden und ein für Bayern tragfähiges Konzept für die Therapieberufe entwickelt werden. Eine bayerische Therapeutenkammer wäre eine Möglichkeit die berufsständischen Belange der Therapeuten und Therapieberufe selbst zu bestimmen und in eigener Verantwortung zu regeln.

In ihrem Vortrag zeigte Daniela Hoffmann-Kruse die aktuelle Situation der Therapeuten und die vielen nicht oder unzureichend geregelten Aspekte schonungslos auf. Alle Therapeuten ansprechen – nicht möglich, sie sind nicht adressierbar. Weder in den einzelnen Bundesländern, noch im Bund gibt es ein zentrales Register. Qualität in der Therapie – was ist das, es gibt keine einheitlichen Standards, weder in der Ausbildung, noch in der beruflichen Weiterbildung. Auch Fortbildungen haben keine vergleichbaren Qualitätsmaßstäbe, hier gibt es vielfältige Zertifikate, aber keine Vergleichbarkeit und keine Qualitätsanforderungen. Dass verschiedene Krankenkassen und die GKV uneinheitlich und nach eigenem Ermessen Anforderungen definieren und Anerkennungen regeln, zeigt in welchem Umfeld die therapeutischen Leistungen und Qualitätsdefinitionen taumeln. Änderungen – bislang kaum möglich, da die therapeutischen Belange durch Krankenkassen, Ärzte und Berufsfremde geregelt werden. Therapeuten spielen dabei keine Rolle – das sollte mal umgekehrt der Fall sein. Solange aber Fremde über den Berufsstand der Therapeuten bestimmen, wird sich daran nichts ändern. Nein, es wird sich absehbar eher noch verschlechtern. Die berufsständischen Belange konnten und können auch die verschiedenen Berufsverbände, in der nur ein Drittel der Therapeuten Mitglied sind, nicht so regeln, dass diese Fremdbestimmung verändert oder abgeschafft wird.

Es fehlt auch an einer einheitlichen, unabhängigen Berufsethik und Berufsordnung, genauso wie an geeigneten Rahmenbedingungen, die die Attraktivität des Therapeutenberufs sichern können. Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung der therapeutischen Leistungen im Gesundheitswesen und des demographischen Wandels, der eine verstärkte Nachfrage nach Therapieleistungen nach sich zieht, ist eine starke Berufsflucht der Therapeuten aller Fachrichtungen Anlass zu großer Sorge. In einer aktuellen Studie wurden die Gründe analysiert und dargestellt.

Nun ist es an der Zeit, dass sich alle Therapeuten geschlossen dieser unbefriedigenden Situation entgegenstellen und sich für eine Verbesserung des berufsständischen Umfeldes in selbstbestimmter Weise einsetzen. Eine wesentliche Veränderung wäre eine Therapeutenkammer, die sich all dieser berufsständischen Fragestellungen, insbesondere zu Qualität und Verbraucherschutz, annehmen würde, und dies staatlich legitimiert, selbstbestimmt und nicht durch Berufsfremde, sondern durch die Therapeuten aller Berufsgruppen selbst.

 

Wies’n das nun mit einer Therapeutenkammer?

 

Anschließend an den Vortrag von Daniela Hoffmann-Kruse stellte Swanhild Priestley vom Förderverein IG-Thera e.V. in Schleswig-Holstein die Position der Heilmittelerbringer im Gesundheitswesen dar, und die beiden Situationen der Heilmittelerbringer und Therapeuten gegenüber - einmal die Situation ohne eine Kammer, und andererseits mit einer Kammer.

Die Aufgaben und Zuständigkeiten einer Therapeutenkammer und der Berufsverbände wurde nochmal dargestellt. Berufsverbände und Therapeutenkammern sind kein Widerspruch, sondern sich gegenseitig ergänzende Strukturen, die nur gemeinsam funktionieren. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass die Berufsverbände nur die Mitglieder, meistens nur eine Fachrichtung, vertreten und die Mitgliedschaft freiwillig ist. Die Therapeutenkammer ist eine berufsständische Einrichtung, die vom Gesetzgeber über Gesetze staatlich legitimiert ist und in der alle Therapeuten aller Therapieberufe und Fachrichtungen Pflichtmitglieder, und somit auch adressierbar, sind. Sie regelt den Berufszugang, die Berufsordnung, einen möglichen Titelschutz, die Berufsgerichtbarkeit, Qualitätsanforderungen und viele weitere berufsständischen Aspekte.

In sehr anschaulichen Darstellungen hatte Daniela Hoffmann-Kruse die für NRW überlegte Kammerorganisationsstruktur dargestellt und erläutert. Dabei wurde ausführlich die Stellung der Beteiligten, der Berufsverbände, der einzelnen Berufsgruppen und der therapeutischen Selbstverwaltung und ihre Einbindung in Land, Bund und Europa dargestellt und diskutiert.

Eine Vielzahl beruflicher Belange wird im G-BA geregelt und entschieden. Wie dieser aufgebaut ist und arbeitet, und wer über die therapeutischen Leistungen im deutschen Gesundheitswesen bestimmt wurde von Swanhild Priestley anschaulich erläutert.

 

Im Anschluss stellten Daniela Hoffmann-Kruse und Swanhild Priestley ihre Arbeit in der Steuerungsgruppe der Initiative Therapeutenkammer auf Bundesebene, und der beiden Fördervereine zur Gründung einer Therapeutenkammer in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen vor. Gemeinsam mit dem Empowerment-Team und allen Teilnehmern diskutierte Sarah Kufner anschließend über mögliche Ziele und Wege, wie in Bayern eine Therapeutenkammer für alle Berufsgruppen der Therapeuten realisiert werden kann.

Am Ende nahmen alle eine klare Vorstellung von einer Therapeutenkammer mit und „Wies’n jetzt weitergeht“ auch Perspektiven für das weitere Handeln für die Selbstbestimmung der Therapeuten in Bayern. 

Eine Arbeitsgruppe des Empowerment Projects

(Fotos: H.W. Kruse)


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