Direktzugang

25.02.2021

 

Situation in Deutschland

Zurzeit dürfen PhysiotherapeutInnen in Deutschland nur nach ärztlicher Überweisung eine Behandlung ausführen und diese auch nicht selbst wählen. Der Arzt entscheidet, welches Heilmittel angewandt wird, die Frequenz und Dauer der Behandlung.  Der Physiotherapeut führt lediglich die Anweisung aus.

Eine autonome Berufsausübung kann ein Physiotherapeut in Deutschland nur über den Umweg, des sektoralen Heilpraktikers erwirken. Es gibt aber keine Bezahlung aus dem öffentlichen Gesundheitssystem.

 

Einen Blick über den Tellerrand, zeigt, dass der „Direktzugang“ in anderen Ländern schon seit mehreren Jahren gelebte Praxis ist

 

Situation in anderen Ländern

 

Länder mit Direktzugang

Land

 

Zeitpunkt

Ausbildung

USA

 (Nebraska)

1957 und später

Studium

Australien

 

1976

Studium

Neuseeland

 

1992

Studium

Schweden

 

2004

Studium

Finnland

 

2005

Studium

Niederlande

 

2006

Studium

Großbritanien

 

2006

Studium

 

Grundlagen für die Einführung des Direktzuganges

Als Vorbereitung für den Direktzugang wurden entsprechende gesetzliche Grundlagen geschaffen und die Ausbildung auf eine grundständige Akademisierung umgestellt

Bedingt durch unterschiedlichen Gesundheitssysteme in den Ländern, unterscheidet sich auch die Entwicklungshistorie, die dort zum Direktzugang geführt hat.

 

Auslöser für den Direktzugang: wie war das in Schweden

In Schweden finanzielle Probleme des Gesundheitssystems sowie lange Wartezeiten für ärztliche Behandlungen zur steigenden Unzufriedenheit der Patienten. Diese Situation zwang die Landesregierungen mit dem Physiotherapieverband in Verhandlungen zu treten. Seitdem war es möglich den Abschluss „Bachelor of science“, „Master of science“ und PhD zu erlangen. Dies führte 1996 dazu, dass in vier Provinzen der erste Versuch des Direktzuganges zur Physiotherapie eingeführt wurde und dann bis 2004 landesweit umgesetzt wurde.2

 

Politik schafft dort Strukturen für die Professionalisierung der Therapieberufe

 

Entwicklung in Deutschland

Im Gegensatz zum Ausland konnte der Direktzugang in Deutschland bis heute nicht auf den Weg gebracht werden. Trotz der berufspolitischen Forderung nach mehr professioneller Autonomie fehlt es weiter an gesetzlichen Voraussetzungen, Rahmenbedingungen (vgl. WCPT, 2011, S.1).

 

Aktuell verhandeln die Verbände unsere beruflichen Belange mit der Politik. Doch wer vertritt die Interessen, der Therapeuten, die nicht in einem Verband organisiert sind?

 

Vorteile des Direktzuganges

Studien aus dem Ausland und Inland haben gezeigt, dass die Umsetzung des Direktzuganges viele Vorteile mit sich bringt, so z.B. zur Kosteneinsparung wie auch geringeren Wartezeiten in der physiotherapeutischen Versorgung führt.

 

Als Voraussetzungen für den Direktzugang werden Kompetenzen und Fertigkeiten

gezählt, die notwendig sind um als autonomer Praktiker zu arbeiten.

Das bedeutet Physiotherapeuten müssen ernsthafte Erkrankungen und Warnsignale, die „red flags“ erkennen, und wissen, wann sie den Patienten zum Arzt schicken müssen.

 

Demnach fehlen der Ausbildung in Deutschland vor allem die physiotherapeutische Diagnostik, die eigenständige Festlegung therapeutischer Maßnahmen, und die Fähigkeit zur Evaluation.

 

Wie ist der Status dieser Rahmenbedingungen in Deutschland?

Ausbildung I Berufsgesetz I Berufsordnung I Berufsbild I Berufliche Identifikation

 

Ausbildung

 

Berufsfachschule

Anders als in den meisten europäischen Nachbarländern ist in Deutschland die Berufsfachschulausbildung für Gesundheitsberufe vorherrschend .Den Berufsfachschulen,  fehlt die Einordnung in eine reguläre Bildungsstruktur. Ausschließlich unser Berufsgesetz (MPhG v.26.04.1994) und die Ausbildungs- und Prüfungsordnung geben einen verbindlichen bundeseinheitlichen Rahmen vor. 

 

Die Regelung des Berufsgesetzes und der dazugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsordnung, geben vor was bundeseinheitlich bei der Ausbildung umzusetzen ist. Darin werden das Ausbildungsziel, die Zulassungsvoraussetzung zur Ausbildung die Ausbildungsdauer die Stundenverteilung sowie der Schutz des Berufstitels festgelegt.

 

Modellklausel I primärqualifizierender Studiengänge

Seit 2009 gibt es die primärqualifizierenden und integrierten Studiengänge für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie und Hebammen zur Weiterentwicklung von Ausbildungsangeboten. Ursprünglich war die Modellphase bis 2017 geplant, wurde dann auf 2021, und jetzt auf 2026!!) verlängert.  17 Jahre Modellphase 

 

Die Zukunftsperspektive für unsere Ausbildungen ist unklar Berufsfachschule I Studium

 

Berufsgesetz

und die dazugehörige Ausbildungs- und Prüfungsordnung „legt das Ausbildungsziel, die Zulassungsvoraussetzung zur Ausbildung, und die Ausbildungsdauer und Stundenverteilung fest (Regelkompetenz des Bundes) und regelt den Schutz des Berufstitels.

Das Berufsgesetz wurde um §9 für die Modellklausel erweitert

 

Das Berufsgesetz ist zu alt I Das Ausbildungsziel I fächerorientiert...passt nicht mehr

Für eine Reform unserer Berufsgesetze brauchen wir Klarheit wie es für die Ausbildungswege Berufsfachschule I Hochschule oder?

 

Berufsbild

Das Berufsbild umfasst die Beschreibung aller Tätigkeiten, die in der Ausbildung und Ausübung eines spezifischen Berufs ausgeführt werden. Durch die Beschreibung grenzt sich der jeweilige Beruf von anderen Berufen ab soweit die Theorie. In der Praxis ist es weniger eindeutig.

 

...mit Blick auf die Ausbildungseinrichtung

Die Berufsfachschule (DQR4) bildet zum reflektierten Praktiker aus, in der Hochschule (DQR6-8) geht zusätzliche um wissenschaftliches und eigenständiges Arbeiten so wird die Beschreibung der Tätigkeiten sich entsprechend unterscheiden und ein anderes Berufsbild abbilden. 

 

...mit Blick auf unser Berufsgesetz 

Beim Berufsbild des Physiotherapeuten handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen Heilhilfsberuf (BVerwG, Urteil, 26.08.2009, 3 C 19.08, Rz. 12). Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Physiotherapeut nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Masseur und Physiotherapeutengesetz (MPhG) umfasst dabei nicht die eigenverantwortliche Krankenbehandlung unter Anwendung physiotherapeutischer Methoden, d. h. ohne eine ärztliche Verordnung.

           

Berufsbild 1                             Berufsbild 2                             Berufsbild 3

Berufsfachschule DQR 4

Hochschule

DQR 6

Berufsgesetz

Reflektierte Praktiker

Wissenschaftliches Arbeiten

Eigenverantwortliche Prozesse steuern

Heilhilfsberuf § 1 Abs. 1 Nr. 2 (MPhG) umfasst dabei nicht

die eigenverantwortliche Krankenbehandlung

(nicht ohne eine ärztliche Verordnung)

 Darstellung TKNRW                                                                          DQR = Deutscher Qualitätsrahmen

 

Berufliche Identifikation I Berufliches Selbstverständnis

Das Selbstverständnis einer Profession ist nach „Kielhofer“ ein selbstverständlicher Teil der beruflichen Identität und bleibt überwiegend unausgesprochen. Wie sich ein Beruf versteht, hängt eng mit seiner Entstehungsgeschichte, der Art der Ausbildung.  Lt. Forschungsarbeit der Hochschule Fresenius in Idstein ist die berufliche Identität geprägt von der als beschränkend empfundenen Abhängigkeit von Ärzten, der zweifelhaften Einordnung in das Gesundheitssystem.

Berufsordnung

eine Berufsordnung betrifft die Angehörigen einer Berufsgruppe direkt, sie regelt den Alltag. Es werden die Rechte und Pflichten sowie ethischen Aspekte des Berufes geregelt. Wir haben keine verbindliche Berufsordnung! Das bedeutet, hält sich jemand nicht an die Spielregeln, hat das keine Konsequenz.

Das hat den Nachteil, dass hier der Verbraucherschutz fehlt und es keine Berufsgerichtsbarkeit gibt, so wie das mit einer Kammer der Fall wäre.

 

Warum nutzen wir Therapeuten nicht die Möglichkeit unsere Interessen kollektiv in Form einer Kammer mit ca.80.000 Heilmittelerbringern in NRW wirksam einzusetzen?

 

 

Fazit: die Grundstruktur unsere Berufe bremst die Entwicklung

 

§Unser Berufsgesetz u. die Ausbildungs- und Prüfungsordnung sind zu alt

§ Ausbildungsstruktur: unklar Berufsfachschule? I Akademisierung?

§ Berufsordnung: unverbindlich

§ Berufsbild: unklar I Identitätskrise? 

§ Berufliches Selbstverständnis: heterogen

 

Diskussion:

 

Berufsgesetz

Mit einer Kammer können die Therapeuten wirksam ihre Interessen vertreten.

                    Mit einem Mandat von ca. 80.000 Heilmittelerbringern in NRW können die Therapeuten ihre beruflichen Belange mit Einfluss in die Politik einbringen .

Ausbildungsstruktur

Hier ist die Einflussnahme indirekt, die "Kammer"* definiert die Voraussetzungen für die Kammerfähigkeit 

Berufsordnung     

Mit der Gründung einer Kammer wird eine verbindliche Berufsordnung erarbeitet. Die

Einhaltung ist verpflichtend. Das bedeutet Verbraucherschutz und eine eigene

Berufsgerichtsbarkeit. Die Berufsordnung gibt einen verbindlichen Orientierungs- und Regulierungsrahmen

Berufsbild  

Wird durch eine einheitliche bzw. geregelte Ausbildungsstruktur klar

Berufliches Selbstverständnis: 

Sobald die oben genannten Punkte umgesetzt sind entwickelt sich unter anderem daraus das berufliches Selbstverständnis


[1] Vgl.Zalpur, C.[2010]

[2] Vgl. Leinich, T.(2007)                                                                                                                                                                  Ein Beitrag von TKNRW e.V. Linda Walter u. Daniela Hoffmann-Kruse


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